Konkret und stark: Studientag gegen die Einflussnahmen der extremen Rechten in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Düsseldorf
500 Gäste, Studierende, Lehrende und Praktiker*innen diskutierten am 12.6.2024 an der Hochschule Düsseldorf (HSD) unter dem Leitthema „Soziale Arbeit in Verantwortung“, was der Gefährdung der Demokratie durch die extreme Rechte in der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik in Studium, Forschung und Praxis entgegengesetzt werden kann. Die HSD war Gastgeberin des kraftvollen Kooperationsprojekts an der Seite der Mitveranstalter*innen von der Universität Siegen und der TH Köln, unterstützt von den Fachgesellschaften DGSA und DGfE.
Fabian Virchows (Hochschule Düsseldorf) Keynote zur Eröffnung stand unter dem Eindruck der EU-Wahlen, aber auch den kommunalen Wahlen in acht Bundesländern, die nur wenige Tage zuvor ein Abbild der Zustimmung auch für extrem rechte Politikangebote gegeben hatten. Anhand konkreter Beispiele erläuterte Virchow die Bandbreite rechter Angriffe auf Grund- und Menschenrechte, auch in einer vergleichenden internationalen Perspektive. Dazu zählen etwa gezielte Beschränkungen für öffentlich-rechtliche Medien, ebenso wie völkisch-rassistisch motivierte Angriffe auf universelle Menschenrechte. Auch deshalb, so Virchow, sei das demokratische Prinzip des Schutzes von Minderheitenrechten so wichtig.
Heike Radvan (Brandenburgische Technische Universität Cottbus) warf die Frage auf, wie die Soziale Arbeit Dominanzzugriffe der extremen Rechten kontern könne. Dazu sei ein selbstkritischer Rückblick der eigenen Profession, zum Beispiel auf Ansätze der historisch-politischen Bildung ebenso nötig wie auf die frühen Ansätze der Arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen. Diese Engführung sei schon zu Zeiten des „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ der 1990er Jahre problematisch gewesen, heute müssten Angebote der Sozialen Arbeit aber dringend über solche „Problemfelder“ hinausweisen, wenn sie die gesellschaftlichen Dimensionen rechter Positionen ernst nehmen wolle. Grundsätzlich müsse sich die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession gegenüber der extremen Rechten politisch eindeutig positionieren – und sich und ihre (angehenden) Expert*innen im Handlungsfeld fortlaufend qualifizieren.
Diese Impulse griffen die über 30 Workshops mit vielfältigen Anknüpfungspunkten auf. Mehrere Referent*innen beschäftigten sich mit den teils weitreichenden Folgen rechter Gewalt für die Betroffenen, wie z.B. Schahrzad Farrokhzad und Birgit Jagusch (beide TH Köln), die Schutzkonzepte für Einrichtungen vorstellten, oder die Opferberatung Rheinland, die Fallbeispiele aus der Beratungspraxis diskutierte. Die Bildungsinitiative Ferhat Unvar, unmittelbar nach dem rassistischen Anschlag in Hanau ins Leben gerufen, formulierte Antworten auf das alltägliche Erleben von Rassismus, von Hürden, rassistischen Angriffen und Ausgrenzungen. Um machtkritische Perspektiven auf Rassismus ging es auch in dem Workshop von Merfin Demir (Čerenja e.V. und RomArchive) und Meltem Büyükmavi (IDA-NRW), während das Wissenschaftspraxisprojekt „Partizipative Erinnerungspädagogik in Koblenz und Umgebung“, vorgestellt von Stephan Bundschuh, Marike Flömer, Timo Voßberg und Eren Yıldırım Yetkin (Hochschule Koblenz), zu den Erfahrungen migrantisierter Jugendlicher im ländlichen Raum fragte. Wie über Antisemitismus im Kontext von Sozialer Arbeit mit Fußball-Fans gesprochen werden kann, war das Thema im Workshop von Pavel Brunssen (Universität Heidelberg), während Sabine Reimann (Hochschule Düsseldorf) bei einem Rundgang durch den Erinnerungsort Alter Schlachthof auf Anküpfungspunkte für die antisemitismuskritische Bildungsarbeit verwies.
Auf viel Interesse stieß der Abschlussimpuls von Cihan Sinanoğlu vom DeZIM-Institut (Berlin). Während Rechtsextremismus immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerate, werde Rassismus zu wenig als Kernnrarrativ der extremen Rechten und als historisch-gesellschaftlich gewachsene Machstruktur erkannt. Beiden Phänomenen sei zu eigen, dass die Dominanzgesellschaft dazu neige, sie zu externalisieren, sie als etwas zu betrachten, was nicht in ihr selbst entstehe. Sinanoğlu gab außerdem Einblicke in den ständig wachsenden Datenschatz des DeZIM, das umfangreiche Erhebungen in den Feldern Migration, Integration und Rassismus durchführt. Aktuelle Herausforderung sei die Etablierung neuer Methoden für die community-basierte partizipative Forschung. Migrantisch situierte Wissensbestände seien nach wie vor ein weitgehendes Desiderat. Eine kritische Rechtsextremismus-Forschung müsse nicht zuletzt auch immer aus einer rassismuskritischen Perspektive erfolgen, schloss Sinanoğlu.
Zum Abschluss reflektierten Studierende den Studientag. Sie betonten, dass es auch praktische und verantwortliche Unterstützung von Dozierenden brauche, wenn es etwa in Seminaren zu Diskriminierungen käme. Um sich als Studierende sichtbar gegen extrem rechte Anfeindungen und Angriffe zu positionieren, brauche es klare Positionen der Lehrenden.
„Gerade jetzt macht ein Fachaustausch wie dieser Mut. Uns hat der Tag gezeigt, wo die Forschung zur extremen Rechten im Feld Sozialer Arbeit steht und dass es viele gute Beispiele von Prävention und Intervention gegen die extreme Rechte gibt. Jetzt kommt es darauf an, dieses Wissen in die Breite zu tragen und weiter auszubauen. Die teilnehmenden Studierenden und Fachleute waren sehr engagiert und daran interessiert, sich in einem solidarischen Umfeld auszutauschen. Auch in Zukunft müssen wir solche Räume für den Wissenschafts-Praxis Transfer schaffen, damit Soziale Arbeit als Ort der Arbeit für die unteilbaren und unveräußerlichen Menschentrechte gestärkt werden kann“, |
so Anke Hoffstadt und Christoph Gille vom Orga-Team.
Weitere Informationen zum Studientag und die Dokumentation der Keynote-Vorträge von Heike Radvan, Fabian Virchow und Cihan Sinanoğlu können hier erfragt werden:
studientagextremerechte [dot] soz-kult [at] hs-duesseldorf [dot] de
Fotos: Hafida Seghaoui und Kymon Ems